Praktische Übungen für Selbstführung – Emotionen, Körper und Gedanken

Selbstführung ist eine Fähigkeit, die jeder erlernen und verbessern kann. Sie umfasst die bewusste Steuerung unserer Emotionen, Gedanken und unseres Verhaltens. Doch wie trainieren wir diese Fähigkeit konkret? In dieser Episode stelle ich Ihnen praktische Übungen vor, die Ihre Selbstführung auf emotionaler, körperlicher und kognitiver Ebene stärken.

 

Warum praktische Übungen wichtig sind

Selbstführung ist wie ein Muskel, der durch regelmäßiges Training gestärkt wird. Forschungsergebnisse zeigen, dass gezielte Übungen nicht nur die Selbstregulation verbessern, sondern auch Stress reduzieren, die mentale Gesundheit fördern und die Produktivität steigern. Laut einer Studie von Baumeister et al. (1998) verbessert das regelmäßige Training der Selbstkontrolle die Fähigkeit, auch unter Druck klar und fokussiert zu bleiben.

 

Übungen für emotionale Selbstführung

Emotionen beeinflussen unser Denken und Handeln oft stärker, als uns bewusst ist. Die Fähigkeit, mit ihnen bewusst umzugehen, ist ein zentraler Bestandteil der Selbstführung.

  1. Emotionstagebuch führen
    Ziel: Eigene Emotionen besser verstehen und Muster erkennen.
    Anleitung:
    • Schreiben Sie am Ende jedes Tages drei Emotionen auf, die Sie im Laufe des Tages gespürt haben.
    • Reflektieren Sie: Was hat diese Gefühle ausgelöst? Wie haben Sie darauf reagiert?
    • Überlegen Sie, was Sie in ähnlichen Situationen anders machen könnten.
  1. Geführte Selbstmitgefühlsmeditation
    Ziel: Sich selbst in schwierigen Momenten unterstützen.
    Anleitung:
    • Schließen Sie die Augen, legen Sie eine Hand auf Ihr Herz und atmen Sie tief ein und aus.
    • Wiederholen Sie innerlich Sätze wie: „Es ist in Ordnung, dass ich mich so fühle. Ich bin freundlich zu mir selbst.“
    • Konzentrieren Sie sich auf ein Gefühl von Wärme und Akzeptanz.
  1. Ressourcenanker setzen
    Ziel: Positive Emotionen gezielt aktivieren.
    Anleitung:
    • Erinnern Sie sich an ein Ereignis, das Sie glücklich oder stolz gemacht hat.
    • Rufen Sie das Gefühl so lebhaft wie möglich hervor (Bilder, Geräusche, Emotionen).
    • Berühren Sie währenddessen bewusst einen Punkt Ihres Körpers, z. B. Ihren Handrücken oder Ihr Schlüsselbein, um das Gefühl zu verankern.

 

Übungen für körperliche Selbstführung

Unser Körper und Geist sind eng miteinander verbunden. Übungen, die den Körper einbeziehen, helfen dabei, Stress abzubauen und die Konzentration zu fördern.

  1. Atmung regulieren (z. B. Box-Breathing)
    Ziel: Stress abbauen und den Fokus schärfen.
    Anleitung:
    • Atmen Sie 4 Sekunden ein, halten Sie den Atem 4 Sekunden, atmen Sie 4 Sekunden aus und halten Sie wieder 4 Sekunden inne.
    • Wiederholen Sie diesen Zyklus für 5 Minuten.
  1. Progressive Muskelentspannung (PME)
    Ziel: Körperliche Anspannung abbauen und Entspannung fördern.
    Anleitung:
    • Spannen Sie nacheinander verschiedene Muskelgruppen an (z. B. Hände, Arme, Gesicht, Beine).
    • Halten Sie die Spannung für 5–10 Sekunden und lassen Sie dann bewusst los.
    • Beobachten Sie, wie sich die Entspannung anfühlt.
  1. Power-Posen einnehmen
    Ziel: Selbstbewusstsein stärken.
    Anleitung:
    • Stehen Sie aufrecht, die Schultern nach hinten, die Brust leicht herausgestreckt.
    • Heben Sie die Arme wie ein Sieger (V-Form) oder legen Sie die Hände in die Hüfte (Superheldenpose).
    • Halten Sie diese Position für 2 Minuten und atmen Sie dabei bewusst.

Studie von Amy Cuddy (2012): Power-Posen können nachweislich das Selbstvertrauen stärken, indem sie die Hormonspiegel im Körper beeinflussen.

 

Übungen für kognitive Selbstführung

Gedanken steuern unsere Wahrnehmung und unser Verhalten. Kognitive Selbstführung hilft uns, destruktive Denkmuster zu durchbrechen und lösungsorientiert zu denken.

  1. Positive Selbstgespräche führen
    Ziel: Negative Gedankenmuster durch positive ersetzen.
    Anleitung:
    • Schreiben Sie eine Liste negativer Gedanken, die Ihnen häufig durch den Kopf gehen.
    • Formulieren Sie für jeden Gedanken eine positive Alternative. Beispiel: Statt „Ich schaffe das nicht“ schreiben Sie: „Ich habe die Ressourcen, um diese Herausforderung zu meistern.“
    • Wiederholen Sie die positiven Aussagen regelmäßig.
  1. Achtsamkeitsübungen
    Ziel: Den Geist beruhigen und im Moment bleiben.
    Anleitung:
    • Setzen Sie sich an einen ruhigen Ort und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre Atmung.
    • Wenn Gedanken abschweifen, lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit sanft zurück auf den Atem.
    • Beginnen Sie mit 5 Minuten täglich und steigern Sie die Dauer nach Bedarf.
  1. SMART-Ziele setzen
    Ziel: Klarheit und Motivation schaffen.
    Anleitung:
    • Definieren Sie ein Ziel, das spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert ist. Beispiel: „Ich werde jeden Tag 15 Minuten an meiner beruflichen Weiterbildung arbeiten.“
    • Überprüfen Sie wöchentlich Ihre Fortschritte und passen Sie Ihre Ziele bei Bedarf an.

 

Kombinierte Übungen für ganzheitliche Selbstführung

  1. Body-Scan mit Emotionserkennung
    Ziel: Körperliche und emotionale Spannungen lösen.
    Anleitung:
    • Legen Sie sich bequem hin und schließen Sie die Augen.
    • Wandern Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit durch Ihren Körper, von den Zehen bis zum Kopf.
    • Fragen Sie sich dabei: „Welche Emotionen spüre ich in diesem Bereich?“ Lassen Sie alles zu, ohne zu urteilen.
  1. Morgenroutine für Selbstführung
    Ziel: Den Tag bewusst und fokussiert starten.
    Anleitung:
    • Beginnen Sie mit 5 Minuten Stretching oder leichtem Yoga.
    • Schreiben Sie drei Prioritäten für den Tag auf.
    • Beenden Sie die Routine mit einer Atemübung oder einer kurzen Meditation.

 

Warum diese Übungen wirken

Die vorgestellten Übungen basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die zeigen, dass Selbstreflexion, Achtsamkeit und regelmäßige Routinen die Selbstführungskompetenz stärken.

  • Tang et al. (2007): Bereits 10 Minuten täglicher Achtsamkeitspraxis verbessern signifikant die Fähigkeit zur Selbstregulation.
  • Amy Cuddy (2012): Körperhaltungen wie Power-Posen wirken direkt auf unsere Hormone und stärken das Selbstbewusstsein

 

Fazit

Selbstführung ist keine Fähigkeit, die wir über Nacht perfektionieren können – sie erfordert Übung und Geduld. Indem wir unsere Emotionen, unseren Körper und unsere Gedanken bewusst trainieren, schaffen wir die Grundlage für ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben. Probieren Sie einige dieser Übungen aus und entdecken Sie, wie sich Ihre Selbstführung Schritt für Schritt verbessert.

In der nächsten Episode beschäftigen wir uns mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) – einer wissenschaftlich fundierten Methode, die Selbstführung durch die Aktivierung von Ressourcen und Zielklarheit nachhaltig stärkt.

Quellen und Literaturempfehlungen:

  • Baumeister, R. F., Heatherton, T. F. & Tice, D. M. (1998). Losing Control: How and Why People Fail at Self-Regulation. Academic Press.
  • Cuddy, A. J. C., Wilmuth, C. A. & Carney, D. R. (2012). Preparatory power posing affects nonverbal presence and job interview performance. Journal of Experimental Social Psychology, 48(6), 1364-1368.
  • Tang, Y., Ma, Y., Wang, J., Fan, Y., Feng, S., Lu, Q., Yu, Q., Sui, D., Rothbart, M. K., Fan, M. & Posner, M. I. (2007). Short-term meditation training improves attention and self-regulation. Proceedings of the National Academy of Sciences, 104(43), 17152-17156.
  • Neff, K. D. (2011). Self-compassion, self-esteem, and well-being. Social and Personality Psychology Compass, 5(1), 1-12.
  • Carver, C. S. & Scheier, M. F. (1998). On the Self-Regulation of Behavior. Cambridge University Press.
  • Deci, E. L. & Ryan, R. M. (2000). The „what“ and „why“ of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological Inquiry, 11(4), 227-268.
  • Schunk, D. H. & DiBenedetto, M. K. (2020). Motivation and Social-Emotional Learning: Theory, Research, and Practice. Springer.