Ethische Dilemmata im Coaching – Wenn Werte aufeinanderprallen
Coaching ist mehr als ein Gespräch – es ist ein Prozess, der Veränderung und Wachstum möglich macht. Doch was passiert, wenn im Coaching ethische Dilemmata auftreten? Wie geht ein Coach mit Situationen um, in denen die Werte des Coachees und die eigene Haltung in Konflikt geraten? Und warum sind solche Herausforderungen im Coaching so spannend wie wegweisend?
In diesem Blog lade ich Sie ein, hinter die Kulissen zu blicken: Was macht ein Coach eigentlich, wenn er auf eine komplexe Führungsdynamik trifft? Und wie bleibt man als Coach wirksam, ohne die Neutralität zu verlieren?
Einblick in die Praxis: die autoritäre Führungskraft
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Führungskraft aus der oberen Managementebene kommt ins Coaching. Ihr Führungsstil ist autoritär und geprägt von Kontrolle und Anweisungen. Der Fokus des Coachees liegt auf der Erfüllung der Ziele, die von der Geschäftsführung vorgegeben werden – um Anerkennung oder seinen Bonus zu erhalten. Gleichzeitig befindet sich das Team im Widerstand. Die Mitarbeitenden fühlen sich übergangen, ihre Ideen werden nicht gehört, und die Stimmung ist angespannt.
In welcher Situation befindet sich der Coach? Welche Optionen stehen ihm zur Verfügung?
Als Coach mit einem transformationalen Führungsverständnis stehen wir vor einem ethischen Dilemma: Wir könnten unseren Werten folgen und dem Team innerlich zustimmen und versuchen, die Führungskraft von einem kooperativeren Führungsstil zu überzeugen. Doch damit verlassen wir unsere neutrale Rolle. Oder wir respektieren die Haltung des Coachees, auch wenn sie nicht unseren Werten entspricht – und riskieren, dass das Team weiterhin unter dessen Führung leidet.
Diese Gratwanderung zeigt, wie viel Fingerspitzengefühl Coaching erfordert. Es geht darum, den Coachee in seiner Entwicklung zu begleiten, ohne die eigene Haltung aufzudrängen.
Ethische Prinzipien als Leitplanken
Coaching erfordert eine klare ethische Orientierung. Der DBVC-Ethik-Kodex (Deutscher Bundesverband Coaching e.V.) bietet hierfür hilfreiche Prinzipien, darunter den Grundsatz der Würde der Person. Dieser fordert, dass jede Person unabhängig von ihren Überzeugungen oder ihrem Verhalten wertgeschätzt wird.
Was bedeutet das konkret? In der Praxis heißt das, auch andere Werthaltungen zu respektieren. Nur so entsteht eine vertrauensvolle Basis, auf der Reflexion und Veränderung möglich werden.
Welche Handlungsmöglichkeiten bieten sich für den Coach an?
1. Raum für Reflexion schaffen: Der Coach stellt gezielte Fragen, die den Coachee einladen, über sein Verhalten und dessen Auswirkungen nachzudenken:
- „Wie möchten Sie von Ihrem Team wahrgenommen werden?“
- „Welche Führungsqualitäten möchten Sie langfristig entwickeln?“
- „Wie beeinflusst Ihr aktueller Führungsstil die Motivation Ihres Teams?“
Solche Fragen öffnen den Blick, ohne belehrend zu wirken.
2. Neutralität bewahren: Ein Coach bleibt allparteilich – er nimmt weder die Seite des Teams noch die des Coachees ein. Ziel ist es, dem Coachee zu ermöglichen, eigene Einsichten zu gewinnen, ohne sich bevormundet zu fühlen.
3. Die Autonomie stärken: Coaching bedeutet nicht, Ratschläge zu geben. Der Coachee trägt die Verantwortung für seine Entscheidungen. Der Coach hilft, Klarheit zu schaffen, bleibt aber immer Begleiter, nicht
4. Das Coaching beenden – im Ausnahmefall: Wenn sich herausstellt, dass die Werte des Coach nicht vereinbar mit den Werten und dem Handeln der Führungskraft sind, kann es notwendig sein, das Coaching zu beenden. Dies geschieht immer transparent und respektvoll – idealerweise mit einer Weiterempfehlung an einen anderen Coach.
Warum ethische Dilemmata Coaching so spannend machen
Coaching -Gespräche bringen neue Perspektiven, Dynamiken und Herausforderungen mit sich. Ethische Dilemmata gehören dabei zu den anspruchsvollsten Momenten – und gleichzeitig zu den spannendsten. Sie fordern Coaches dazu auf, ihre Haltung zu reflektieren, klar zu bleiben und dennoch wirksam zu sein.
Für Führungskräfte stellt sich die Frage: Wie könnte Coaching in Ihrer Organisation wirken? Welche Herausforderungen erleben Sie im Führungsalltag und wie könnte Coaching helfen, diese zu meistern?
Was macht man als Coach?
Ein Coach schafft Klarheit, stellt Fragen, die den Blick weiten und stärkt die Selbstverantwortung des Coachees. Er ist kein Berater, sondern ein Begleiter, der Führungskräfte unterstützt, neue Wege zu entdecken – ohne diese vorzugeben.
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Quellen und Literaturempfehlungen:
· Schreyögg, A. (2017). Coaching als Profession: Beiträge zu Standards, Ausbildung und Professionalisierung.Springer.
· Deutscher Bundesverband Coaching e.V. (DBVC) (2021). Ethik-Richtlinien für professionelles Coaching. DBVC.
· Kühl, S. (2018). Coaching zwischen Unterstützung und Manipulation: Ethische Spannungsfelder in der Praxis. VS Verlag.
· Bluckert, P. (2015). Psychological Dimensions of Executive Coaching. Open University Press.
Bachkirova, T., Spence, G. & Drake, D. (2017). The SAGE Handbook of Coaching. SAGE Publications.
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